…im Vorfrühling des Jahres 1940 erschien die Erzählung ‚DAS GLÜCKLICHE TAL‘ der Züricher Autorin ANNEMARIE CLARK-SCHWARZENBACH. Zu ihren engsten Freunden gehörten die Mann-Geschwister Erika und Klaus und die Schauspielerin Therese Giehse. Der Fotografin Marianne Breslauer erschien ihr androgynes Wesen, ihre rätselhafte Schönheit „… wie ich mir den Engel Gabriel im Paradies vorstelle, überhaupt nicht wie ein lebendes Wesen, sondern wie ein Kunstwerk.“ Annemarie Clark-Schwarzenbach war promovierte Historikerin, Archäologin und eine bekannte Journalistin und Orient-Reisende auf der Suche nach einem Ausweg aus den verflochtenen Irrgärten innerer und äußerer Existenz. Zweifel, Hoffnungslosigkeit, ein grelles Gelb der Angst und des Leidens, ein Begehren nach Zuneigung, Sehnsucht nach der Kindheit, Revolte und Flucht aus der Monotonie des Alltäglichen… unaufhaltsam entgleitet ihr die Wirklichkeit:
„…den Boden betreten, ihn durch meinen Atem lebendig machen! Ach, Wirklichkeit, Wirklichkeit!... Jeden Abend nehme ich Abschied – und am Morgen bin ich dem Unbekannten nahe. Vorbei, zu Ende die Abenteuer, abertausend Wirklichkeiten sind zu bestehen. Ich greife an, ich werfe mich ihnen entgegen, ich liebe – und ich vergesse nichts. Zedern bleiben zurück, Ölhaine, Gesänge – Säulen, schwarze Segel, und mehr noch die Ferne, ach, die Ferne! – Wie ein scheuendes Pferd will meine Ungeduld ausbrechen, nach rechts, nach links – und stürzt immer vorwärts. Es kostet mich weiße Nächte, sie einzuholen… die Wege sind wallend verhüllte Milchstraßen. Kälte, Hunger, Durst – ich habe, was ich wollte, …kein Ort, nirgends, um Schlaf zu finden. Jetzt fehlt mir nichts. – Ich könnte weinen darüber! Ich weiß nichts mehr, meine Bedürfnislosigkeit äußert sich stotternd und kommt mit zwei Worten aus -, Sonnenaufgang, Sonnenuntergang, die ich unablässig wiederhole. Und dann „Rettet mich, rettet mich!“ – als ob mich eine sterbliche Seele hören könnte. Ich lernte Schüttelfröste und taumelnde Nächte kennen, am Tag traute ich mich nicht mehr aus dem Dunkel des Gartens, in dessen Büschen große Falter schliefen. Wasserspinnen kämpften träge mit Taranteln, die Moskitoschwärme sanken wie Schleier auf die schwarze Fläche faulender Teiche. Kein Luftzug drang durch die Lehmmauern, die Platanen erstickten im dichten Unterholz. In einer Lichtung wartete eine Koppel persischer Windhunde…“
Text-Passagen aus dieser Erzählung ‚DAS GLÜCKLICHE TAL‘ liest heute für Sie BIRGITTA ASSHEUER, Dramaturgie und Moderation BERTHOLD DIRNFELLNER.