…Bayreuth erfährt die Hitze. Es ist im Monat August ein Tag vor Kriegsbeginn. Es ist eine Stunde am Nachmittag, dessen Sommerblau erinnert Cosima, auf einer Venezianischen Liege der Villa ‚Wahnfried‘ im Park tagträumend, erinnert die Hitze sie an Richards letzte Augusttage vor dem Beginn des Sterbens der Villa Vendramin Venedigs. Der andere Pol Richard Wagners befindet sich an diesem Augusttag weiter südlich, an alpiner Peripherie: Garmisch. Auch geht dessen gedanklicher Ton andere Wege als der dahindämmernde innere Klang Cosimas. Aus einem kleinen Garten Narzissenrot in Garmisch schreibt Ernst Bloch zu dieser Stunde nach Mittag einen Brief an seinen Freund Georg Lukács, der gerade im Balkanexpress sitzt und Zigarre rauchend nachdenklich in einen Cognac-Schwenker schaut. Ab und an sieht er hinüber aus dem Abteilfenster zu den Alpen hin. Der Krieg blitzt schon in der Ferne und Georg Lukács befindet sich auf einer Reise von Budapest nach Heidelberg. „Und noch etwas,“ schreibt Ernst Bloch zur gleichen Stunde an Ihn, „hier schicke ich Dir die Kritik der Musik (die übrigens jetzt ‚Philosophie der Musik‘ heißt) und nach einem umfangreichen Passus, rein musiktechnisch, über Wagners ‚Tristan‘ und seinen ‚Parsifal‘, über die Frage der Operndichtung (was kann die Musik einem Musikdrama an Mythischen geben) und vor allem über den zentralen Ortsbegriff in der Musik…“ Damit hat Bloch die Mitte geschaffen für ein Buch, das den philosophischen Expressionismus begründen wird: ‚Geist der Utopie‘. Am anderen Pol dieser Stunde nach Mittag Richard Wagner erinnernd, in Bayreuth, kommen sie jetzt aus den Räumen der Villa auf die Veranda, die Kinder und Enkelkinder, um die beinahe achtzigjährige Cosima vor den Blitzen herannahender Gewitterstürme in den Salon zurück zu begleiten.
Die Lesung findet im Café-Foyer des Neuen Theater Höchst statt.
